Wie Tonspuren aus dem Extremsport zu Audio-Tracks werden
Geschrieben von Vanessa Genesius,
7 Tipps für bessere Vocal-Aufnahmen
7 Tipps für bessere Vocal-Aufnahmen
Heute dreht sich bei uns im Shure Blog alles um die Vocal-Abnahme und wir freuen uns, dass wir mit Andreas Ohnhaus einen richtig guten Gesangs-Coach gewinnen konnten, der seine Expertise auf diesem Gebiet mit Euch und uns teilt. Andy hat seinen Master an der Popakademie Baden-Württemberg gemacht, betätigt sich als Singer und Songwriter (u. a. für Warner Chappell Music) und ist als Vocal-Coach u. a. bei unserem Shure Academy Kooperationspartner, der noisy Academy Berlin, im Einsatz.
So, und jetzt los. Andreas Ohnhaus hat das Wort:
Wenn es bei einer Produktion um das Recording der Vocals geht, spielen viele Faktoren eine Rolle, die zur guten Qualität der Aufnahme beitragen.
Hier findet Ihr sieben Tipps und Tricks, mit denen Ihr die Qualität und das Ergebnis Eurer Gesangsaufnahmen sofort verbessern könnt. Egal ob im Studio oder zu Hause.
1. Vocaltechnik und Warm-Up
1. Vocaltechnik und Warm-Up
Um als Sänger in einer Recording-Session eine perfekte Performance abliefern zu können, ist es eine große Hilfe und Entlastung, die Basics der Gesangstechnik zu beherrschen. Die richtige Atmung/Stütze, eine saubere Intonation und Artikulation und der richtige Tonsitz sind hierbei die wichtigsten Faktoren.
Wenn ein Sänger eine gute Kontrolle über seine Stimme hat und genau weiß, wie er mit seinem Instrument umgehen muss, kann er ohne Probleme in Studiosituationen alle Ansprüche erfüllen und in kurzer Zeit (die Zeit spielt in Recording-Session leider immer eine große Rolle) zu einem super Ergebnis gelangen.
Darüber hinaus kann durch eine gute Kontrolle über die Stimme vermieden werden, dass der Sänger schnell heiser und abgesungen ist und die Aufnahme unterbrochen werden muss.
Während einer Recording-Session sollte ein Sänger auch viel Wasser trinken, damit die Stimmlippen ausreichend befeuchtet werden. Hier ist lauwarmes Wasser ohne Kohlensäure zu empfehlen.
Auch ein kurzes Warm-Up kann die Präsenz der Stimme und die Qualität der Performance um ein Vielfaches steigern. Hierbei reicht ein kurzes Aufwärmen von ca. 20 Minuten völlig aus, um die Stimme und die wichtigsten Faktoren der Gesangstechnik (Atmung/Stütze, Artikulation, Tonsitz) zu aktivieren. Atemübungen, einfache Tonfolgen und kleine Glissandi auf allen Vokalen sind als Warm-Up sehr zu empfehlen.
2. Vorbereitung
2. Vorbereitung
Auch die Vorbereitung auf die Recording-Session ist ein nicht zu unterschätzender Punkt. Wenn möglich sollte der Sänger den gesamten Text und die Melodie des Songs auswendig können, um sich während der Aufnahme nur auf den Gesang konzentrieren zu können und nicht über den Text nachdenken oder ihn ablesen zu müssen.
Mehr Sicherheit bringt auch ein Festlegen der Atempausen innerhalb des Songs. Der Sänger sollte vor der Session ausprobieren, an welchen Stellen im Song er am sinnvollsten atmen kann und diese Breaks als fixe Atempausen kennzeichnen und sie sich schon während der Vorbereitung aneignen.
3. Das richtige Mikrofon
3. Das richtige Mikrofon
Die Wahl des richtigen Mikrofons ist immer ein heiß diskutiertes Thema im Studio. Generell wird zwischen dynamischen Mics und Kondensatormikrofonen unterschieden. Dynamische Mikros werden aufgrund ihrer robusten Bauweise, der geringen Anfälligkeit für Umgebungsgeräusche und aufgrund der minimalen Rückkopplungsgefahr vorrangig für die Bühne benutzt.
Kondensatormikrofone hingegen werden auch als „Studio-Mikrofone“ bezeichnet, da sie durch ihre Bauweise und die Signalaufnahme der Membran ein sehr differenziertes und sauberes Signal aufzeichnen können. Durch den breiten Frequenzgang können die Stimmen sehr detailliert und naturgetreu aufgenommen und wiedergegeben werden. Dadurch kann sich auch die Stimme später im Gesamtmix gut durchsetzen.
Jedes Mikrofon klingt anders, wie jede Stimme auch.
Welches Mikrofon das richtige für die eigene Stimme ist, kann nur durch intensives Ausprobieren und genaues Hinhören herausgefunden werden. Jedes Mikrofon klingt anders, wie jede Stimme auch. Und jede Stimme hat einen eigenen Frequenzgang, der von jedem Mikro unterschiedlich aufgenommen wird.
Generell gilt aber auch, dass nicht unbedingt das teuerste Mikrofon auch das Beste für die eigene Stimme ist. Man sollte die günstigen Varianten nicht völlig außer Acht lassen, denn auch diese klingen mit der passenden Stimme häufig sehr gut.
Egal, welches Mikrofon ausgewählt wird, der Einsatz eines Popkillers zur Vermeidung einer Überbetonung der Explosivlaute P, T und K und störender S-Laute sollte auf jeden Fall benutzt werden.
Aber auch dynamische Mikrofone werden trotz ihrer guten Eigenschaften für die Bühne gerne im Studio benutzt. Besonders, wenn laute Vocals aufgenommen werden, wie z.B. im Rock, Metal und Indie, kann durch die Benutzung von dynamischen Mikrofonen ein sehr durchsetzungsfähiger und prägnanter Vocalsound erzeugt werden.
Ein gutes Beispiel hierfür ist das SM7B von Shure, ein extra für den Studiogebrauch entwickeltes dynamisches Mikrofon, mit dem auch schon Michael Jackson, System Of A Down und viele weitere bekannte Künstler ihre Vocals aufgenommen haben.
Besonders zu empfehlen ist das SM7B für das Homerecording, wenn kein gut gedämmter Aufnahmeraum zur Verfügung steht. Mehr Infos dazu folgen im nächsten Abschnitt.
4. Die richtige Umgebung / Der richtige Raum
4. Die richtige Umgebung / Der richtige Raum
Die Raumakustik ist gerade bei Gesangsaufnahmen ein wichtiger Faktor, der über die Qualität des eingehenden Signals entscheidet. Durch gut gedämmte Räume kann verhindert werden, dass zu viel Raumhall und frühe Reflexionen, die z.B. durch Wände und glatte Oberflächen produziert werden, das Aufnahmesignal undefiniert klingen lassen. Diese Reflexionen und ein nicht gewollter Nachhall können im Mixing und beim Hinzufügen von Reverb und Delay einige Schwierigkeiten erzeugen. Das Dämmmaterial im Studio fängt diese Reflexionen, auch Early Reflexions genannt, und den Nachhall auf und absorbiert sie.
Wenn kein Studioraum mit guter Dämmung zur Verfügung stehen sollte, gibt es einige kleine Tricks, um die Raumakustik des eigenen Aufnahmeraums zu verbessern:
Ein zum Beispiel mit Sofas, Teppichen und Vorhängen eingerichteter Raum hat bereits gute Voraussetzungen für gute Gesangsaufnahmen, da der Stoff der Möbel, ähnlich wie die Absorber im Studio, Reflexionen und Hall auffängt und diese Störgeräusche minimieren kann. Die Verwendung von Wolldecken ist auch sehr hilfreich, da diese sehr gute absorbierende Fähigkeiten aufweisen.
Der Klassiker für gute Vocalaufnahmen beim Homerecording ist allerdings der Kleiderschrank.
Wenn man die Türen eines Kleiderschranks öffnet, das Mikrofon mit dem Stativ in den mit Kleidung gefüllten Kleiderschrank stellt und die geöffneten Schranktüren von innen mit dicken Decken abhängt, hat man sich mit wenig Aufwand eine eigene kleine Gesangskabine gebaut, die durch die große Menge an Stoff sehr viele ungewollte Reflexionen absorbiert.
Wird nun noch ein professioneller Mic-Screen (bereits ab ca. 70,00 € erhältlich; Empfehlung: SE Electronics Reflexion Filter Pro) hinzugezogen und direkt hinter dem Mikrofon aufgebaut, sind gute Voraussetzungen für professionelle und sauber klingende Vocalaufnahmen geben.
Wie bereits oben erwähnt, ist das Shure SM7B für Homerecording Situationen ideal geeignet, da es aufgrund der dynamischen Bauweise nicht so viele ungewollte Reflexionen und den Nachhall des Raumes aufnimmt.
5. Der richtige Abstand zum Mikrofon
5. Der richtige Abstand zum Mikrofon
Auch der richtige Abstand vom Sänger zum Mikrofon entscheidet über die Qualität der Aufnahmen.
Generell kann gesagt werden, dass ca. 15 – 20 cm zwischen Sänger und Mikrofon/Popkiller einen guten Abstand bilden. Noch einfacher ist aber folgende praktische Variante: alle Finger einer Hand abspreizen und den Abstand der Fingerspitze des Daumens und des kleinen Fingers als Entfernung zwischen Popkiller und Mund benutzen. Mit der Entfernung kann es nicht zu ungewollten Überbetonung einzelner Frequenzen, auch Nahbesprechungseffekt genannt, kommen.
Beim Abstand zum Mikrofon sollte aber noch zwischen Lead und Backing Vocals unterschieden werden.
Die Lead Vocals werden meistens mit dem oben angesprochenen Abstand aufgenommen, um einen direkten und natürlichen Sound zu bekommen. Im Rap und Hip-Hop wird allerdings auch gerne der Nahbesprechungseffekt genutzt, in dem der Sänger näher (ca. 10 cm Abstand) an das Mikrofon geht.
Um die Backing Vocals etwas indirekter und räumlicher gestalten zu können, empfiehlt sich direkt bei der Aufnahme einen größeren Abstand (ca. 50 cm oder eine ausgestreckte Armlänge) zu wählen.
6. Effektiver Channel-Strip für Vocals
6. Effektiver Channel-Strip für Vocals
Wenn die Vocals bereits im Kasten sind und es langsam an den Mix geht, spielt der Channel-Strip des Vocal-Kanals zur Bearbeitung der Gesangsspur eine entscheidende Rolle.
Eine sinnvolle Reihenfolge der einzelnen Plug-Ins ist folgende:
- Compressor
- Equalizer
- DeEsser
- Noise Gate
- Delay
- Reverb —> vorausgesetzt Delay und Reverb werden nicht als separater Aux-Weg verwendet.
- Limiter
7. Der richtige Einsatz vom Equalizer
7. Der richtige Einsatz vom Equalizer
Beim Bearbeiten einer Vocalspur durch einen Equalizer muss sehr behutsam damit umgegangen werden, da sonst wichtige Frequenzen zu sehr abgesenkt oder andere überbetont werden und das Aufnahmesignal dadurch völlig verfälscht wird.
Grundsätzlich gilt: erst Störfrequenzen rausfiltern und dann die für das jeweilige Instrument wichtigen Frequenzen leicht anheben oder absenken.
Störfrequenzen können durch das Abtasten des gesamten Frequenzbandes herausgefunden werden und kennzeichnen sich durch Rauschen, Brummen, tiefes Wummern und hohes Pfeifen einiger Frequenzen. Diese Frequenzen sind immer abhängig vom ausgewählten Mikrofon, von der Stimme des Sängers und der Beschaffenheit des Raumes und müssen bei jeder Session neu herausgefiltert werden.
Erst wenn die Störfrequenzen herausgefiltert wurden, sollte an den wichtigen Frequenzen gearbeitet werden.
Folgende Frequenzen sollten bei Gesangsaufnahmen durch einen Equalizer vorsichtig bearbeitet werden:
- Lowcut unter 100 Hz.
- Betonung der Wärme der Stimme durch leichte Anhebung im Bereich von 100 Hz bis 150 Hz, bei Frauen 150 Hz bis 200 Hz. Der genaue Bereich der Anhebung muss ebenfalls durch das Abtasten der angegebenen Bereiche herausgehört werden.
- Definition der Stimme durch leichte Absenkung im ausgewählten Bereich von 400 Hz bis 500 Hz.
- Mehr Präsenz der Stimme durch leichte Anhebung im Bereich 3 kHz bis 5 kHz
- S-Laute verringern durch leichtes Absenken bei ca. 7 kHz
Vielen Dank an Andy Ohnhaus für diesen tollen Gastbeitrag!
Über den Autor
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Vanessa Genesius
Vanessa Genesius arbeitet seit 2004 bei Shure und ist in ihrer Rolle als Communications Manager für so ziemlich alles zuständig, was in irgendeiner Form mit Text zu tun hat. Außer Blockflöte auf der Weihnachtsfeier spielt Vanessa kein Instrument, betätigt sich aber sporadisch und mehr semi als professionell als DJ für Northern Soul.
Vanessa Genesius arbeitet seit 2004 bei Shure und ist in ihrer Rolle als Communications Manager für so ziemlich alles zuständig, was in irgendeiner Form mit Text zu tun hat. Außer Blockflöte auf der Weihnachtsfeier spielt Vanessa kein Instrument, betätigt sich aber sporadisch und mehr semi als professionell als DJ für Northern Soul.